Vitamin K2 – die verwirrende Vielfalt von Formen
Vitamin K2 kann für den Verbraucher zu Beginn ein sehr verwirrendes Vitamin sein. Es existieren so viele verschiedene Formen, dass oft Unsicherheiten entstehen, welche Form zu wählen ist.
Und damit ist es leider nicht genug: Derzeit existiert ein regelrechter Etikettenschwindel mit Vitamin-K2-MK7-Produkten, über den selbst gut informierte Verbraucher nur selten Bescheid wissen.
Dieser Artikel soll aufklären, was es damit auf sich hat und den Leser in die Lage versetzen, ein hoch qualitatives Vitamin-K2-Produkt selbst zu erkennen.
Vitamin K2 Wirkstoffe – eine kurze Übersicht
Die erste Hürde für den Verbraucher ist meist der Unterschied zwischen Vitamin K1 und Vitamin K2, da oft nur von „Vitamin K“ die Rede ist. Von der Wirkung her betrachtet, sind dies jedoch zwei recht verschiedene Vitamine – auch wenn große chemische Ähnlichkeiten bestehen.
Im Zusammenhang mit Vitamin D ist nur das Vitamin K2 von Bedeutung. Vitamin K2 wiederum existiert in verschiedenen chemischen Formen, die sich durch die unterschiedliche Länge der chemischen Seitenketten unterscheiden. Von der generellen Wirkung her sind sie fast identisch, werden jedoch unterschiedlich gut verwertet.
Vitamin K2 kann auf natürlichem Wege gewonnen werden – durch Fermentation – oder synthetisch.
Hier eine kurze Übersicht, der am häufigsten eingesetzten Formen.
Form | Besonderheit | Nötige Dosis |
MK4 | schlechte Bioverfügbarkeit aus Nahrung und Präparaten, hohe Dosen notwendig | 1000µg |
MK7 all-trans | Sehr wirksam, beste Bioverfügbarkeit, längste Halbwertszeit | 150µg |
MK7 cis | Zu 99% wirkungslos | – |
MK9 | wenig erforscht, vermutlich ähnlich wie MK7, nur in den USA zugelassen | ? |
MK7 – der Unterschied von cis und all-trans
Generell gilt Vitamin K2 MK7 derzeit als die wirksamste Form von Vitamin K2, da es die höchste Bioverfügbarkeit aufweist, am Längsten im Blut zirkuliert und so die nachhaltigste Wirkung entfaltet. [1]
Allerdings ist hier Vorsicht geboten: Auch MK7 existiert wieder in zwei verschiedenen Formen, die als cis- und trans-Isomere bezeichnet werden.
Diese Formen sind chemisch gesehen identisch und unterscheiden sich nur durch die geometrische Struktur des Moleküls.
Für die Praxis macht das leider einen sehr großen Unterschied, da der Körper nur die trans-Isomere erkennen und verwerten kann. Vitamin K2 MK7 in der cis-Form ist darum nahezu völlig wirkungslos.
Alle Vitamin-K-Moleküle müssen in der Zellmembran an eine Helix aus zwei Enzymen – Gamma-Glutamylcarboxylase und Vitamin-K-Epoxid-Reduktase – andocken, um ihre Wirkung entfalten zu können. Diese Enzym-Helix hat, bildlich gesprochen, die Form einer Tasche in der Membran-Wand. Der Naphtoquinon-Ring der trans-Formen von Vitamin K passt wie ein Schlüssel exakt in diese Enzym-Helix, wie eine Studie aus 2011 zeigen konnte. [2]
Cis-Formen von Vitamin K wirkungslos
Schon in den 1970er Jahren konnte für Vitamin K1 gezeigt werden, dass seine cis-Formen biologisch inaktiv sind. [3 – 5] Der genaue Grund war zu dieser Zeit jedoch nicht bekannt. Durch die neuen Erkenntnisse des Vitamin-K-Metabolismus zeigt sich nun: Die Cis-Formen von Vitamin K1 oder K2 können aufgrund ihrer geometrischen Ausrichtung nicht an die relevanten Enzyme andocken und bleiben darum wirkungslos – der Schlüssel passt nicht in das Schloss.
Auch wenn sich die klinische Forschung mit den unwirksamen cis-Formen bisher auf Vitamin K1 beschränkt, treffen die Erkenntnisse für Vitamin K2 in gleicher Weise zu: Der für die Wirkung relevante Naphtoquinon-Ring ist bei allen Formen von Vitamin K identisch, weshalb sich die an Vitamin K1 gewonnenen Erkenntnisse in diesem Fall auf Vitamin K2 übertragen lassen.
all-trans Vitamin-K2-MK7Präparate
Gute Vitamin-K2-MK7-Produkte enthalten einen cis-Anteil von 0 bis 2%, ein schlechtes Präparat bis zu 74%, wie ein Speziallabor aus Norwegen in einer Testreihe feststellen konnte [6]. Da es derzeit keinen gesetzlichen Rahmen für diesen Umstand gibt, ist der Vitamin-K2-Markt momentan durchsetzt mit MK7-Produkten, bei denen teilweise weniger als die Hälfte des angegeben K2-Wirkstoffes in einer tatsächlich verwertbaren Form vorliegt.
Bei Vitamin K2 MK7 ist es daher wichtig, auf einen möglichst hochen trans-Anteil zu achten.
Produkte mit einem trans-Anteil von über 98 Prozent werden als „all-trans“ bezeichnet.
Auf diese Auszeichnung ist beim Kauf eines Vitamin-K2-Produktes zu achten. Ideal ist dabei natürlich eine Auszeichnng als 100% all-trans.
Auch auf diese Auszeichnung ist jedoch leider kein Verlass: Unabhängige Studien aus 2018 zeigten erneut, dass einige Produkte am Markt trotz einem auf dem Etikett behaupteten trans-Anteil von 99% tatsächlich 0,0% trans-K2 enthielten – also beinahe vollständig wirkungslos sind. [7]
Wie erkennt man den Etikettenschwindel mit Vitamin K2 MK7?
Da der cis-trans-Unterschied nur in Speziallaboren getestet werden kann, gibt es für den Endverbraucher derzeit keine günstige Möglichkeit, dies selbst zu überprüfen. Labore wie Eurofins in Deutschland und Synthetica in Norwegen testen zwar durchaus auch für Privatkunden, die Tests bewegen sich aber auf recht hohem Preisniveau.
Derzeit bleibt daher nur die Option, möglichst seriöse Hersteller auszusuchen, die etwas von der Materie verstehen. Qualitäts-Hersteller werden in ihren Produktbeschreibungen darauf hinweisen, dass es sich um „all-trans“ Vitamin-K2-MK7 handelt.
Ein Indiz ist in vielen Fällen bereits der Preis: Ein sorgfältig hergestellter all-trans MK7-Wirkstoff ist derzeit recht teuer. In vielen vermeintlich günstigen Vitamin-K2-Produkten werden deshalb stattdessen billige Import-Wirkstoffe eingesetzt, die meist aus China bezogen werden. Diese erlauben zwar einen günstigeren Verkaufspreis, sind aber bis zu 60% wirkungslos – kosten damit also eigentlich das Doppelte. Unverhältnismäßig niedrige Preise deuten oft auf minderwertige Wirkstoffe hin. Eindeutig ist dieses Kriterium jedoch nicht, da Hersteller die Preise auch durch kleinere Gewinnmargen oder riesige Produktionsmengen reduzieren können.
MK7: natürlich oder synthetisch?
Derzeit gibt es zwei Verfahren, um all-trans Vitamin K2 MK7 herzustellen:
- Fermentation/Extraktion aus Soja und Bakterien-Kulturen (Natto)
- organische Synthese aus Blumen-Ölen
Beide Verfahren erzeugen absolut identische Moleküle. Es gibt weder einen chemischen Unterschied, noch einen Unterschied in der biologischen Wirkung. Beide Moleküle sind also 100% identisch. Das Vitamin K2 aus Natto wird oft als “natürliches” Vitamin K2 beworben. Tatsächlich wird aber in beiden Verfahren das Vitamin K2 letztlich aus natürlichen Rohstoffen gewonnen und bei beiden Verfahren kommt moderne Labortechnik zum Einsatz.
Bei beiden Verfahren kann es grundsätzlich zu Unreinheiten und cis-Anteilen kommen. Entscheidend ist also die Auszeichnung als „100 % all-trans“ und der entsprechende Nachweis des Herstellers. Preislich unterscheiden sich hochwertige Wirkstoffe aus beiden Verfahren kaum noch.
Vitamin K2 aus Natto – nur halb natürlich
Allgemein gilt, dass MK7 aus Soja/ Natto vorwiegend in der trans-Form vorliegt, weswegen Natto-K2 lange Zeit die erste Wahl darstellte. Heute wird dieser Begriff jedoch sehr unscharf verwendet und diverse labortechnische Fermentationsverfahren werden als „natürliche Quelle“, „Natto-K2“ oder „natürliches Vitamin K2“ ausgegeben. Diese Auszeichnung ist weder Verlass für chemische Reinheit, noch für den trans-Anteil – auch als „natürlich“ ausgewiesenes K2 kann hohe cis-Anteile enthalten und in einigen Import-Wirkstoffen wurden hohe Grade an Verunreinigungen gefunden.
Einige starke Soja-Allergiker und auch Menschen mit Histamin-Intoleranz können Reaktionen auf natürliches Vitamin K2 aus Natto zeigen. Die Gründe sind nicht immer geklärt, da labortechnisch meist keine Allergene im Wirkstoff nachweisbar sind – hier sind synthetische Formen aber eventuell die bessere Alternative. Bei der Herstellung kann zudem gentechnisch verändertes Soja zum Einsatz kommen, so dass auf die entsprechende Auszeichnung als gentechnikfrei zu achten ist.
„Natürliche“ Fermentations-Produkte sind zudem nie 100% K2 MK7 all-trans, sondern enthalten immer geringe Mengen MK4, MK6 und MK9.
Die Kennzeichnung als „natürlich“ ist bei K2 in vielerlei Hinsicht irreführend. Industrielle Fermentation unterscheidet sich erheblich von unserer Vorstellung von natürlicher Fermentation. Zur Gewinnung von Vitamin K2 aus Sojamehl (=ausgewiesen als Natto) kommen diverse chemische Lösungsmittel und zahllose Trenn- und Filterverfahren zum Einsatz.
Der Vorgang ist extrem komplex, da er zahlreiche Lösungs- und Filterstufen umfasst. Zunächst muss das Vitamin K2 von der Nährstoffmatrix getrennt werden, dann die verschiedenen K2-Formen, die bei der Fermentation unweigerlich entstehen (MK4, MK6, MK9), dann die trans- von den cis-Isomeren des K2 MK7 – ein Schritt, der bisher nur wenigen Herstellern wirklich gut gelingt.
Nach all diesen Schritten unterscheidet sich die Herstellung des natürlichen K2 also kaum von der Synthese. Da das K2 bei der Fermentation aber nur in extrem kleinen Mengen gebildet wird, ist die Extraktion hier deutlich schwieriger. Maximal können derzeit 1-prozentige Lösungen erreicht werden und ironischerweise treten gerade bei diesem – angeblich natürlichen – Verfahren am häufigsten Verunreinigungen mit Lösungsmittelresten, anderen K2-Formen und der Nährmatrix (Soja-Pulver) auf.
Auch ist auf diesem Wege kein 100-prozentiges all-trans K2 zu erreichen. Die weltweit besten Hersteller erreichen derzeit um die 98-99 Prozent. Bei günstigen China-Importen sind die Angaben der Hersteller mitunter in Bezug auf Reinheit und Gehalt als sehr fraglich einzustufen – der all-trans Gehalt schwankt hier genauso extrem, wie die Reinheit.
K2 aus organischer Synthese
Bei der organischen Synthese auf der anderen Seite werden zwei Moleküle aus natürlichen Blumenölen (Geraniol und Citronella) so miteinander verbunden, so dass sie ein K2-MK7-Molekül ergeben. Das Vitamin K2 wird also aus zwei strukturell ähnlichen Molekülen kontrolliert zusammengebaut.
Auch hier sind zur Gewinnung der Öle zwar Extraktionsverfahren nötig, diese sind jedoch weit weniger komplex und das Ergebnis ist reines, kristallines all-trans K2 in 100-prozentiger Konzentration. Auch hier kann trotz der natürlichen Ausgangsstoffe nicht wirklich von einem „natürlichen“ Wirkstoff die Rede sein. Dafür ist dieser Wirkstoff aber absolut rein, und besteht zu 100% aus all-trans Vitamin K2.
In vielerlei Hinsicht ist K2 aus organischer Synthese damit dem vermeintlich natürlichen K2 überlegen.
Soja/Natto | organische Synthese | |
Ausgangsstoff | Natto/Bakterienkulturen | Blumenöle |
Reinheit | Verunreinigungen möglich | absolut rein |
all-trans-Gehalt | 60-98% | 100% |
maximale Rohstoff-Konzentration | 0.1-1% | 100% |
identisch zu natürlichen K2 | ja | ja |
Vorsicht bei Kombinationsprodukten mit Calcium
Weitere Vorsicht ist bei Produkten geboten, die Vitamin K2 und Calcium gemeinsam enthalten. Vitamin K2 zersetzt sich in einem basischen Umfeld und ist in Gegenwart von Calcium nicht stabil. In solchen Fällen kann nur mikroverkapseltes Vitamin K2 eingesetzt werden, um das K2 gegen den Zerfall zu schützen.
Bei herkömmlichen Vitamin-K2-Wirkstoffen ist damit zu rechnen, dass das Produkt in der Realität weniger als die angegebene Menge Vitamin K2 enthält.
Fazit
Vitamin K2 ist nicht das einzige Vitamin, bei dem gewaltige qualitative Unterschiede existieren. In diesem Fall ist es jedoch besonders drastisch, da bei einigen Präparaten der Großteil des angeblichen Wirkstoffs wirkungslos ist. Beim Kauf ist auf die Auszeichnung als all-trans Vitamin K2 MK7 zu achten.
Einmal mehr empfiehlt es sich hier, von seriösen und engagierten Herstellern zu kaufen. Dies macht möglicherweise einen geringen preislichen Unterschied, allerdings wiegt die Qualität diesen Nachteil in diesem Falle auf. Eine gute Produktentwicklung, hochwertige Wirkstoffe und ausführliche Reinheitstests haben ihren Preis – genau wie bei guten Lebensmitteln auch.
Quellen
- Sato, T., Schurgers, L. J., & Uenishi, K. (2012). Comparison of menaquinone-4 and menaquinone-7 bioavailability in healthy women. Nutrition journal, 11(1), 1.
- Wu, S., Liu, S., Davis, C. H., Stafford, D. W., Kulman, J. D., & Pedersen, L. G. (2011). A hetero-dimer model for concerted action of vitamin K carboxylase and vitamin K reductase in vitamin K cycle. Journal of theoretical biology, 279(1), 143-149.
- Matschiner JT, Bell RG. Metabolism and vitamin K activity of cis phylloquinone in rats. J Nutr. 1972 May;102(5):625-9.
- Lowenthal J, Vergel Rivera GM. Comparison of the activity of the cis and trans isomer of vitamin K1 in vitamin K-deficient and coumarin anticoagulant-pretreated rats. J Pharmacol Exp Ther. 1979 Jun;209(3):330-3.
- Knauer, T. E., Siegfried, C., Willingham, A. K., & Matschiner, J. T. (1975). Metabolism and biological activity of cis-and trans-phylloquinone in the rat. The Journal of nutrition, 105(12), 1519-1524.
- http://www.synthetica.no. Bisher unveröffentlichte Arbeit
- Szterk A, Zmysłowski A, Bus K (2018) Identification of cis / trans isomers of menaquinone-7 in food as exemplified by dietary supplements. Food Chemistry 243:403–409 DOI: 10.1016/j.foodchem.2017.10.001