Der Vitamin-D-Stoffwechsel
Um zu verstehen, wie Vitamin D im Körper agiert, ist es hilfreich, zunächst den Vitamin-D-Stoffwechsel zu betrachten. Dieser lässt sich in vier große Bereiche unterteilen, die im Folgenden betrachtet werden sollen.
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Umwandlung von Vitamin D im Körper
Für alle hormonellen Wirkungen des Vitamin D durchläuft Vitamin D im Körper mehrere Umwandlungschritte zu verschiedenen chemischen Formen.
Dabei wird Vitamin D zunächst in die Zirkulationsform 25(OH)D (25-Hydroxy-Vitamin-D) und dann in die eigentliche Hormonform 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D oder Calcitriol umgewandelt.
Die Wirkwege des Vitamin D
Diese Umwandlung kann auf zwei verschiedenen Wirkpfaden geschehen.
- Der endokrine Weg
Hier findet die von Vitamin D zu 25(OH)D in der Leber und der zweite Umwandlungsschritt in den Nieren statt. Dieser Wirkpfad unterliegt einer strengen Regulierung durch verschiedene Hormone und Botenstoffe. - Der autokrine/parakrine Weg
Hier findet die Umwandlung unabhängig und individuell direkt in den Zellen statt.
Auf dem endokrinen Weg entsteht in einem ersten Schritt in der Leber 25(OH)D, welches sich an das Transportmolekül DBP bindet und so im Körper zirkuliert. In einem zweiten Schritt wird aus dieser Zirkulationsform das aktive Vitamin-D-Hormon Calcitriol gebildet. Beide Umwandlungsschritte unterliegen einer hormonellen Regulation, die von der Calcium-Konzentrtion im Blut abhängig ist. Der endokrine Weg ist hauptsächlich verantwortlich für die Wirkungen des Vitamin D auf die Calcium-Aufnahme und damit auch die Knochengesundheit.
Die meisten anderen Wirkungen des Vitamin D hängen vielmehr vom zweiten, parakrinen/autokrinen Wirkweg ab, der sich innerhalb einzelner Zellen abspielt. Denn wie sich gezeigt hat, besitzen die Zellen zahlreicher Gewebe alle nötigen Enzyme, um eigenständig Vitamin D zu 25-OH-D und weiter zu Calcitriol umzuwandeln. Dies macht auch biologisch großen Sinn, denn um eine unabhängige Signalwirkung innerhalb eines Gewebes oder Organs zu ermöglichen, muss der Calcitriol-Spiegel innerhalb dieses Gewebes unabhängig vom körperlichen Grundspiegel reguliert werden können, der ja haupsächlich der Calcium-Versorgung dient. Der parakrine Weg ist für die sogenannten nicht-kalzämischen Wirkungen des Vitamin D ausschlaggebend, wie Immunität und die Regulation von über 2000 Genen.
Bevor wir uns diese zwei Umwandlungswege im Einzelnen ansehen, ist zunächst ihr Ausgangspunkt zu betrachten: das Vitamin D selbst.
Vitamin-D-Stoffwechsel: Vitamin-D-Synthese in der Haut
Der Mensch hat zwei Möglichkeiten, seinen Vitamin-D-Bedarf zu decken:
- Durch Nahrungsmittel/Präparate
- Durch die Sonne
Während Nahrungsmittel aufgrund ihres geringen Vitamin-D-Gehalts eine eher unbedeutende Rolle spielen, ist die Versorgung über die Sonne evolutionär betrachtet die eigentlich natürliche Form der Vitamin-D-Versorgung. Heute wird dies jedoch zunehmend schwieriger, weshalb Vitamin-D-Präparate eine immer größere Bedeutung erlangen.
Vitamin D kann vom Körper mit Hilfe der Sonne selbst gebildet werden. Nötig dafür ist nur eine ausreichende Bestrahlung der Haut mit Sonnenlicht. Chemisch geesehen wird dabei eine Form von Cholesterol durch die UVB-Anteile der Sonnenstrahlung in der Haut in das sogenannte Prävitamin D umgewandelt – eine Vorform des eigentlichen Vitamin D3. Noch in der Haut wird dieses Prävitamin D dann durch die entstehende Wärme in einem zweiten Schritt in echtes Vitamin D3 (Cholecalciferol) umgewandelt. (1)
Unter welchen Umständen diese körpereigene Vitamin-D-Synthese durch die Sonne gelingen kann, ist ausführlich in unserem Artikel zu „Vitamin D und Sonne“ beschrieben:
Vitamin D aus Nahrungsmitteln
Alternativ zu der Synthese in der Haut kann der Vitamin-D-Stoffwechsel natürlich auch mit einer Aufnahme von Vitamin D aus Nahrungsmitteln oder Präparaten beginnen. Hier kann das Vitamin D jedoch zwei verschiedene chemische Formen haben:
- Vitamin D3 – identisch zu dem durch die Sonne hergestellten Vitamin D
- Vitamin D2 – eine chemisch abweichende Form, die sich vor allem in Pflanzen findet
D3 ist effektiver als D2
Für beide Formen ist der Vitamin-D-Stoffwechsel recht ähnlich, jedoch ist Vitamin D3 weitaus effektiver als Vitamin D2. Dies liegt daran, dass Vitamin D2 eine schlechtere Affinität zu den Transportmolekülen und Enzymen aufweist, die im weiteren Verlauf des Vitamin-D-Stoffwechsels eine wichtige Rolle spielen werden. Entsprechend wird Vitamin D2 schneller ausgeschieden und schlechter zu den aktiven Formen umgewandelt. (2)
Vitamin D Stoffwechsel: Die verschiedenen Formen
Vitamin D bildet den Ausgangspunkt für beide Wirkpfade des Vitamin D. Für die Umwandlung zu Calcitriol sind auf beiden Wegen zwei Stoffwechselschritte notwending, im ersten Schritt sorgt ein Enzym mit dem etwas kryptischen Namen Vitamin-D–25-Hydroxylase (CYP2R1) dafür, dass Vitamin D3 in seine Zirkulations- und Speicherform umgewandelt wird: Das Calcidiol oder 25(OH)D3. (3)
25-OH-D3 – die Zirklulations- und Speicherform
25(OH)D3 ist die häufigste Form von Vitamin D im Körper – stellt selbst aber eine inaktive Form von Vitamin D dar. In dieser Form zirkuliert es, gebunden an DPB, überall im Körper. 25(OH)D ist der direkte Vorgänger für das Vitamin-D-Hormon und auch die Form, die bei einem Vitamin-D-Bluttest gemessen wird.
Die Versorgung mit Vitamin D wird also anhand dieser Zirkulations- und Speicherform beurteilt, nicht anhand des eigentlich wirksamen Vitamin D. (4) Der Grund dafür ist, dass die eigentlich aktive Form von Vitamin – das Calcitriol – nur nach Bedarf vom Körper gebildet wird und nach getaner Arbeit rasch wieder unwirksam gemacht wird. Der Spiegel schwankt darum sehr stark und lässt nur wenig Schlüsse auf die allgemeine Versorgung zu.
Calcitriol – das Vitamin-D-Hormon
Die Umwandlung von 25(OH)D3 zum Hormon Calcitriol findet einerseits konzentriert in den Nieren statt, andererseits dezentral in den einzelnen Zellen. Auch hier sind wieder spezielle Enzyme für die Umwandlung zuständig – in diesem Fall die 1-alpha-Hydroxylase (CYP27B1).
Mit Calcitriol (auch 1,25-(OH)2-D3) hat Vitamin D eine Form erreicht, die wie ein Hormon fungiert. Calcitriol bindet sich an spezielle Vitamin-D-Rezeptoren (VDR) die in fast allen Zellen zu finden sind. Über diese VDR steuert das Calcitriol zahlreiche Zellvorgänge.
Auf dem endokrinen Wirkpfad unterliegt auch Calcitriol dabei einem ausgeklügelten Regulationsmechanismus, der das Hormon stets in genau der Konzentration hält, in der es aktuell gebraucht wird. (5) Im Fall von Vitamin D ist dieser Mechanismus besonders Komplex und noch gar nicht erschöpfend erforscht, so dass hier nur die Grundzüge skizziert werden sollen.
Endokriner Wirkpfad und Hormon-Regulation
Die wichtigsten Regulations-Partner des Vitamin D auf dem endokrinen Wirkpfad sind Calcium, Phosphat und das Nebenschilddrüsen-Hormon Parathormon (PTH). Die Hauptaufgabe des endokrinen Wirkpfades ist die Regulation des Calcium-Haushalts: Vitamin D steuert hier die aktive Aufnahme von Calcium und Phosphat im Darm und damit den Calcium-Spiegel im Blut. Dieser wird über einen Regulationsmechanismus sensibel eingestellt. (6) An diesem Beispiel soll die Regulation des Vitamin-D-Hormons kurz und etwas vereinfacht erläutert werden.
Sinkt der Calcium-Spiegel im Blut wird dies von der Nebenschildrüse festgestellt, die laufend den Calcium-Spiegel im Blut kontrolliert. Die Nebenschildrüse produziert daraufhin das PTH-Hormon, was zwei Effekte hat: Zum einen wird Calcium aus den Knochen mobilisiert, um dem Mangel direkt entgegenzuwirken, zum anderen wirkt PTH als Signal für die Niere, vermehrt 25(OH)D3 zu Calcitriol umzuwandeln. Der so ansteigende Spiegel des Vitamin-D-Hormons führt zu einer stärkeren Aufnahme von Calcium im Darm, wodurch sich der Calcium-Blutspiegel normalisiert. Die Nebenschilddrüse stellt dies fest und reguliert die PTH-Produktion wieder herab. In der Niere wird dies erkannt und die Calcitriol-Produktion eingestellt.
Dieser Regulationskreislauf ist ständig im Gang und hält den Calcium-Blutspiegel stets konstant. Um optimal zu funktionieren, ist dazu freilich ausreichend Calcium in der Nahrung nötig, sowie ein ausreichender Spiegel von 25(OH)D. Mehr Informationen sind auch in unserem Artikel zum Thema nachzulesen:
Der parakrine/autokrine Wirkweg des Vitamin D
Bisher ging man davon aus, dass die Zellen nur das zirkulierende 25-OH-D als Ausgangsstoff für die intrazelluläre Umwandlung zu Calcitriol verwenden – weshalb dieses auch als alleinige Messgröße der Vitamin-D-Versorgung verwendet wird.
Fast alles 25-OH-D im Blut ist jedoch an DBP gebunden – und kann in dieser Form nicht in die Zellen diffundieren. (9) Nur etwa 0.003 % des 25-OH-D liegen in einer freien Form vor, die leicht in die Zellen diffundieren kann und so als Ausgangsstoff für die Umwandlung innerhalb der Zelle verwendet werden kann. (10) Diese Menge ist nicht ausreichend, um die Wirkungen des Vitamin D auf dem parakrinen Weg zu erklären.
Heute wird darum vermutet, dass neben dem freien 25-OH-D vor allem auch Vitamin D selbst als Ausgangsstoff für die zelluläre Vitamin-D-Versorgung wichtig ist. (10)
Die Bedeutung von freiem Vitamin D
Dies hat große Auswirkungen auf unser Verständnis von Vitamin D und vor allem auf die Therapie und könnte große Teile der bisher gemachten Forschung zu Vitamin D in Frage stellen.
Denn während 25-OH-D sehr lange im Blut zirkuliert, fällt der Spiegel an Vitamin D innerhalb von 24 Stunden auf null ab, weshalb die Versorgung hier von einer täglichen Zufuhr abhängig ist – wie sie unter natürlichen Bedingungen durch die Sonne gegeben wäre.
Vitamin-D-Form | Halbwertszeit |
Vitamin D3 | 24 Stunden |
25-OH-D | 3 Wochen |
Calcitriol, 1,25(OH)2D | wenige Stunden |
Dies bedeutet, dass eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung – unabhängig davon wie hoch der Blutspiegel ist – nur dann gegeben ist, wenn mit täglichen Dosen von 3000-6000 IE gearbeitet wird, denn nur dann bilden sich ausreichende Spiegel an freiem Vitamin D.
Dieser Umstand könnte erklären, warum Studien, die mit Wochen- oder Monatsdosen arbeiten meist keine positive Wirkung von Vitamin D auf nicht-kalzämische Wirkungen feststellen können: Trotz der hochen Blutspiegel an 25-OH-D ist keine ausreichende zelluläre Versorgung mit Vitamin D gegeben, da das freie Vitamin D nach 24 Stunden erschöpft ist. Dies wird bestätogt durch die Ergebnisse von Meta-Studien, die feststellten, dass nur bei täglicher Dosierung eine ausreichende Wirkung von Vitamin D auf zum Beispiel die Infektbekämpfung gegeben ist. (12)
Um die Wirkungen des Vitamin D auf dem parakrinen Wirkweg zu erhalten, ist eine tägliche Aufnahme von Vitamin D notwendig, die sich im Bereich von 3000-6000 IE bewegt. (11)
Vitamin D Kofaktoren
Eine Übersicht über den Vitamin-D-Stoffwechsel wäre nicht vollständig ohne eine Betrachtung der Kofaktoren. Vitamin D hat eine besonders enges Verhältnis zu zwei Nährstoffen:
- Magnesium Ist nötig für alle Umwandlungsschritte des Vitamin D
- Vitamin K2 Ist nötig für die Calcium-Verwertung
Magnesium spielt eine Rolle bei der oben besprochenen Umwandlung des Vitamin D durch die verschiedenen Enzyme. Entsprechend kann Vitamin D bei einem Mangel an Magnesium nicht in seine aktiven Formen umgewandelt werden. (7)
Ohne Vitamin K2 wiederum kann das durch Vitamin D aufgenommene Calcium nicht korrekt verwertet werden, was zu gefährlichen Calcium-Ablagerungen in Gefäßen und Organen führen kann. (8) Weitere Details mit Dosierungsvorschlägen finden sich auch in unserem großen Artikel zum Thema Kofaktoren.
Fazit Vitamin-D-Stoffwechsel
Vitamin D ist ein komplexes Thema, welches sich erst mit zumindest rudimentären Kenntnissen über den Vitamin D Stoffwechsel wirklich erschließt. Besonders der Bereich der Dosierung und der Kofaktoren hat große praktische Bedeutung und sollte im Rahmen jeder Vitamin-D-Therapie Beachtung finden.
Weiterlesen:
- Vitamin D Kofaktoren – Warum man Vitamin stets mit Kofaktoren zusammen einnehmen sollte
- Vitamin-D-Dosierung – warum offizielle Empfehlungen zu kurz greifen
Quellen
- Holick, Michael F., et al. Photobiology of vitamin D. Vitamin D., 1997, S. 33-39.
- Houghton LA, Vieth R. The case against ergocalciferol (vitamin D2) as a vitamin supplement. Am J Clin Nutr. 2006 Oct;84(4):694-7.
- Zhu, Jinge G., et al. CYP2R1 is a major, but not exclusive, contributor to 25-hydroxyvitamin D production in vivo. Proceedings of the National Academy of Sciences, 2013, 110. Jg., Nr. 39, S. 15650-15655.
- Vieth, Reinhold. The pharmacology of vitamin D, including fortification strategies. Vitamin D, 2005, 2. Jg., S. 995-1015.
- DeLuca HF. Overview of general physiologic features and functions of vitamin D. Am J Clin Nutr. 2004 Dec;80(6 Suppl):1689S-96S. Review.
- Brenza HL, DeLuca HF. Regulation of 25-hydroxyvitamin D3 1alpha-hydroxylase gene expression by parathyroid hormone and 1,25-dihydroxyvitamin D3. Arch Biochem Biophys. 2000 Sep 1;381(1):143-52.
- Zittermann, Armin. Magnesium deficit? overlooked cause of low vitamin D status?. BMC medicine, 2013, 11. Jg., Nr. 1, S. 229.
- Masterjohn C. Vitamin D toxicity redefined: vitamin K and the molecular mechanism. Med Hypotheses. 2007;68(5):1026-34. Epub 2006 Dec 4. PubMed PMID: 17145139.
- Heaney, R. P., & Armas, L. A. (2015). Quantifying the vitamin D economy. Nutrition reviews, 73(1), 51-67.
- Bikle, D.D., Gee, E., Halloran, B., Kowalski, M.A., Ryzen, E., and Haddad, J.G. Assessment of the free fraction of 25-hydroxyvitamin D in serum and its regulation by albumin and the vitamin D-binding protein. J. Clin. Endocrinol. Metab. 1986; 63: 954–959
- Hollis, B. W., & Wagner, C. L. (2013). The role of the parent compound vitamin D with respect to metabolism and function: why clinical dose intervals can affect clinical outcomes. The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism, 98(12), 4619-4628.
- Bergman P, Lindh AU, Björkhem-Bergman L, Lindh JD. Vitamin D and respiratory tract infections: a systematic review and metaanalysis of randomized controlled trials. PLoS One. 2013;8: e65835
Bild: Ice & Sun. Explore #35 von Mike Keeling Lizenz: cc-by-nd