Vitamin-D-Synthese: Die Sonne als „Nahrungsquelle“
Vitamin D ist das einzige Vitamin, dass wir nicht über die Nahrung aufnehmen müssen, sondern über die Sonne selbst produzieren können. Diese Fähigkeit zur Vitamin-D-Synthese macht das Sonnenlicht zu einer wichtigen „Nahrungsquelle“ des Menschen, die für die Gesundheit genauso wichtig ist, wie Nahrung und Flüssigkeit.
Gerade in unserer modernen Lebensweise wird diese enorme Wichtigkeit der Sonne oft übersehen. Evolutionär gesehen ist der Mensch an eine große Sonnenexposition angepasst. Und während indigene Völker durch leichte Bekleidung fast ganztägig mit der Sonne in Kontakt sind, hat die moderne Lebensweise uns immer mehr von der Sonne entfernt.
Dies ist problematisch für die Vitamin-D-Synthese und unsere Versorgung mit Vitamin D.
Was braucht es für die Vitamin-D-Synthese?
Die Vitamin-D-Synthese findet in der oberen Hautschicht statt, wo eine Form von Cholesterol mit Hilfe von UV-B-Strahlung in Vitamin D3 umgewandelt wird.
Die Chemie der Vitamin-D-Synthese sehen wir uns später noch genauer an. Zunächst seien aber die Rahmenbedingungen abgesteckt, die für die Vitamin-D-Synthese nötig sind. Der Körper benötigt hierzu fünf Voraussetzungen:
- Direkten Sonnenkontakt
Wolken, Glasfenster, Kleidung und Sonnenschutzcreme verhindern die Synthese - Ausreichend nackte Hautfläche
Mindestens 25% der Hautfläche (1) - Ausreichende Intensität der Sonne
Nördlich von Italien nur von März bis Oktober (2) - Ausreichender UV-B-Anteil
Nur in der Zeit zwischen 10 und 16 Uhr (3) - Ausreichende Dauer der Besonnung
Nach Hauttyp verschieden
Diese fünf Voraussetzungen lassen erahnen, wie schwierig es in modernen Gesellschaften sein kann, den Vitamin-D-Bedarf durch die körpereigene Synthese zu decken. Sie erklären auch, warum in Deutschland etwa 80 % der Bevölkerung an einer Unterversorgung mit Vitamin D leiden.(4)
Mehr hierzu findet sich auch im Artikel: Vitamin D und Sonne
Chemie der Vitamin-D-Synthese
Was passiert nun bei der körpereigenen Vitamin-D-Synthese? Im Grunde ist es eine Abfolge einfacher chemischer Reaktionen, für die sich der Körper sowohl die UV-Strahlung als auch die Wärme der Sonne zunutze macht. Durch die im Sonnenlicht enthaltene UV-B-Strahlung wird in der oberen Hautschicht (Epidermis) eine Form von Cholesterol (7-Dehydro-Cholesterol) zunächst in eine Vorform von Vitamin D3 (Prävitamin D3) und dann durch die Wärme weiter zu Vitamin D3 umgewandelt. (5)
Dabei verhindert ein Schutzmechanismus eine Überdosierung mit Vitamin D3: Bei längerer Sonnenexposition wird das produzierte Vitamin D3 in inaktive Photoprodukte zersetzt. Maximal können darum etwa 20.000 IE Vitamin D auf diesem Wege produziert werden.(6)
Das so entstandene Vitamin D3 muss nun vom Körper erst in seine aktive Form, das Vitamin-D-Hormon Calcitriol umgewandelt werden. Dafür gibt es zwei getrennte Stoffwechselwege:
Ein Teil des Vitamin D3 wird anschließend durch das Blut direkt zu den Zellen transportiert. In zahlreichen Geweben kann es dann vor Ort durch spezielle Enzyme in das eigentlich aktive Vitamin-D-Hormon umgewandelt werden. So produziertes Vitamin D3 ist etwa 24 Stunden aktiv, bevor es ausgeschieden wird.(7)
Ein weiterer Teil des Vitamin D jedoch wird zunächst an spezielle Transportmoleküle gebunden und dann in die Leber transportiert, wo es in die Speicher- und Transportform 25(OH)D3 umgewandelt wird. 25(OH)D3 ist die häufigste Form von Vitamin D im Körper und wird auch verwendet, um den Vitamin-D-Spiegel zu messen. 25(OH)D3 zirkuliert im Gegensatz zu freiem Vitamin D3 sehr lange im Blut und kann zudem in Fettgeweben gespeichert werden.
Diese Speicherform wird durch die Transportmoleküle nun weiter in die Nieren transportiert, wo es in einem hormonell geregelten Mechanismus in das aktive Vitamin-D-Hormon Calcitriol umgewandelt wird.(8)
Angepasst auf Vitamin-D-Synthese
Der Mensch ist angepasst auf eine tägliche und relativ gleichmäßige Versorgung mit Vitamin D durch körpereigene Synthese. Sie verhindert starke Schwankungen im streng regulierten Vitamin-D-System und sorgt für eine gleichmäßige Versorgung sowohl mit freiem Vitamin D3 als auch 25(OH)D3.
Freies Vitamin D3 hat sich als essentiell für etliche Funktionen des Vitamin D, wie zum Beispiel seine Immunfunktionen herausgestellt. Da freies Vitamin D3 nur 24 Stunden im Körper zirkuliert, sind wir hier besonders auf eine tägliche Versorgung angewiesen.
Auch für stillende Mütter ist dies besonders relevant: Freies Vitamin D3 geht zu einem viel größeren Teil in die Muttermilch über, als die Speicherform, weshalb Mütter auf eine ausreichende tägliche Vitamin-D-Versorgung achten sollten.(9)
Vitamin-D-Synthese und Sonnenmangel
Man könnte glauben, der Mensch müsse sich durch die Fähigkeit zur Vitamin-D-Synthese um die Versorgung mit Vitamin D keine Sorgen machen. Doch weit gefehlt: Aufgrund der modernen Lebensweise, die sich heute hauptsächlich in geschlossenen Räumen abspielt, leiden erstaunlich viele Menschen an einem deutlichen Sonnenmangel. Da zudem der Großteil des Körpers meist durch Kleidung bedeckt ist und bei Sonnenbädern meit übermäßig Sonnenschutzmittel verwendet werden, ist die Vitamin-D-Produktion durch die Sonne selbst im Hochsommer oft mangelhaft.
Studien haben außerdem gezeigt, dass der feine Smog in vielen Großstädten große Teile des UV-B-Bereichs abschirmt und die Sonne so gar keine Chance hat, die Haut zu erreichen.
Selbst im Sommer ist also nicht immer eine ausreichende Vitamin-D-Synthese gegeben. Im Winter herrscht nördlich von Italien aufgrund der geringen Sonnenintensität sogar grundsätzlich Sonnenmangel und es kann in dieser Zeit kein Vitamin D in der Haut gebildet werden. Der Körper zehrt über den Winter einige Zeit von den Körperspeichern – sofern diese im Sommer gebildet werden konnten – und fällt gegen Ende des Winters meist in einen Mangel ab. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, mindestens im Winter Vitamin-D-Präparate einzunehmen, um einen konstanten Vitamin-D-Spiegel zu gewährleisten.
Mehr Informationen auch im Artikel: Vitamin D im Sommer
Vitamin-D-Synthese im Alter
Noch problematischer ist die Situation für alte Menschen: Durch die Alterung der Haut nimmt die Fähigkeit zur Vitamin-D-Synthese im Alter um etwa 70 Prozent ab. Ältere Menschen laufen darum besonders Gefahr, einen Vitamin-D-Mangel zu erleiden.(10) Insbesondere in Altenheimen ist ein Vitamin-D-Mangel extrem verbreitet.
Ursächlich spielen dabei sowohl die Alterung der Haut und die dadurch schlechtere Durchlässigkeit eine Rolle, als auch ein Rückgang am Ausgangsstoff 7-Dehydro-Cholesterol.
Wie viel Sonne ist nötig?
Wie viel Sonne ist für eine ausreichende Vitamin-D-Synthese nötig? Dies hängt vor allem von zwei Faktoren ab:
- Intensität der Sonne
Je intensiver, desto kürzer - Haut-Typ
Je heller, desto kürzer
Allgemeine Zeitangaben sind hier nicht möglich, da die benötigten Zeiten nach Jahres- und Uhrzeit und auch für jeden Hauttyp sehr unterschiedlich sind.
Im Hochsommer und zur Mittagszeit können bei Badebekleidung 10-20 Minuten Sonne ausreichen, um einem Vitamin-D-Mangel vorzubeugen. Im Frühjahr und Herbst sind jedoch weit längere Sonnenbäder nötig. Sind nur das Gesicht und die Unterarme entblößt, sind ebenfalls deutlich längere Zeiten nötig.
Eine ausführliche Tabelle über die Besonnungszeiten für jeden Hauttyp findet sich im bereis oben verlinkten Artikel „Vitamin D und Sonne“.
Fazit Vitamin-D-Synthese
Gerade in nördlichen Breitengraden ist eine Vitamin-D-Versorgung über die Sonne zunehmend schwierig. In den meisten Fällen kann sie selbst im Sommer nur noch einen Teil des Bedarfs decken.
Im Winter ist eine Versorgung über die Vitamin-D-Synthese ohnehin nicht möglich – hier ist die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten sinnvoll, um einen Mangel zu verhindern.
Quellen
- Holick MF. Sunlight and vitamin D for bone health and prevention of autoimmune diseases, cancers, and cardiovascular disease. Am J Clin Nutr. 2004;80(6, suppl):1678S-1688S.
- Webb AR, Kline L, Holick MF. Influence of season and latitude on the cutaneous synthesis of vitamin D3: exposure to winter sunlight in Boston and Edmonton will not promote vitamin D3 synthesis in human skin. J Clin Endocrinol Metab. 1988; 67(2):373-378.
- Holick MF, Chen TC, Lu Z, Sauter E. Vitamin D and skin physiology: a D-lightful story. J Bone Miner Res. 2007;22(suppl 2): V28-V33.
- Kipshoven, Christoph. Querschnittsstudie zur Abschätzung des Vitamin-D-Status in der Bevölkerung in Deutschland (DEVID-Studie). Diss. Köln, Univ., Diss., 2010, 2010.
- Michael F. Holick, The Cutaneous Photosynthesis of Previtamin D3: A Unique Photoendocrine System, Journal of Investigative Dermatology, Volume 77, Issue 1, 1981, Pages 51-58,
- Holick MF, MacLaughlin JA, Clark MB, et al. Photosynthesis of previtamin D3 in human skin and the physiologic consequences. Science. 1980; 210(4466):203-205.
- Hollis, B. W., & Wagner, C. L. (2013). The role of the parent compound vitamin D with respect to metabolism and function: why clinical dose intervals can affect clinical outcomes. The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism, 98(12), 4619-4628.
- Holick MF. Vitamin D deficiency. N Engl J Med. 2007;357(3): 266-281.
- Robert P. Heaney and Laura A.G. Armas. Quantifying the vitamin D economy. Nutrition Reviews Vol. 73(1):51–67
- Maclaughlin, Julia; Holick, Michael F. Aging decreases the capacity of human skin to produce vitamin D3. Journal of Clinical Investigation, 1985, 76. Jg., Nr. 4, S. 1536.
Bild: Untitled von Eduard Orbitron Lizenz: cc-by