Kann man mit Vitamin D Autismus behandeln?
Vitamin D spielt eine wichtige Rolle im Nervensystem und ist ein wichtiger Modulator des Immunsystem. Vitamin D steuert zahlreiche Mechanismen, die mit der Entstehung Autismus in Verbindung gebracht werden.
Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass ein starker statistischer Zusammenhang zwischen niedrigen Vitamin-D-Spiegel und dem Auftreten und der Schwere von Autismus besteht.
Seit einigen Jahren wird Vitamin D darum als wichtiger Entstehungsfaktor von Vitamin D diskutiert. Vitamin D könnte vor allem eine große präventive Rolle haben: Optimale Vitamin-D-Spiegel bei Schwangeren und Babys könnten der Entstehung von Autismus vorbeugen.
Neuer Studien legen aber sogar nahe, dass Vitamin D auch in der Therapie des Autismus großen Nutzen haben könnte: Die Gabe von Vitamin D verbesserte in einigen Studien deutlich verschiedene Symptome des Autismus.
Dieser Artikel soll den aktuellen Forschungsstand zusammenfassen.
Was ist Autismus?
Bei Autismus-Spektrumsstörungen handelt es sich um eine Gruppe von Störungsbildern, die den sogenannten Entwicklungsstörungen zugeordnet werden und sich meist vor dem dritten Lebensjahr manifestieren. Autismusspektrumsstörungen äußern sich vor allem in Auffälligkeiten in folgenden 3 Bereichen:
- Auffälligkeiten in der sozialen Interaktion, wie beispielsweise der Unfähigkeit, Blickkontakt, Mimik, Körperhaltung und Gestik zur Regulation sozialer Interaktionen zu verwenden
- Auffälligkeiten in der Kommunikation, wie beispielsweise eine Verspätung oder vollständige Störung der Entwicklung der gesprochenen Sprache, die nicht begleitet ist durch einen Kompensationsversuch durch Gestik oder Mimik als Alternative zur Kommunikation
- stereotype Verhaltensmuster, das heißt offensichtlich zwanghafte Anhänglichkeit an spezifische, nicht funktionale Handlungen oder Rituale [1]
Die Entstehungsbedingungen von Autismus sind jedoch noch nicht hinreichend geklärt und so wurden in den letzten Jahren neben genetischen Faktoren [3, 4] viele weitere Risikofaktoren wie oxidativer Stress [4 – 11], eine geringe Entgiftungskapazität [12 – 14], Entzündungsreaktionen [8, 15 – 18], Autoimmunität [19 – 24], abweichende Level der neurotropischen Faktoren [25 – 27] sowie Mangel an bestimmten Vitaminen [28] mit der Entwicklung einer autistischen Störung in Verbindung gebracht.
Löst ein Mangel an Vitamin D Autismus aus?
Seit etwa einem Jahrzehnt steht Vitamin D-Mangel verstärkt im Verdacht die Entwicklung einer autistischen Störung zu begünstigen. Hierbei scheint sowohl ein Vitaminmangel der Mutter während der pränatalen Entwickung des Kindes [23] als auch ein Vitamin Mangel auf Seiten des Kindes eine Rolle zu spielen [29].
Vitamin D-Mangel in der Schwangerschaft und Autismus
So zeigen manche Studien, dass Kinder, deren Empfängsnis im Winter stattgefunden hat, ein höheres Risiko für die spätere Entwicklung einer autistischen Störung haben [30, 31]. Da Vitamin D in erster Linie durch Sonneneinstrahlung auf der Haut vom Körper selbst hergestellt wird und die Intensität und Dauer der Sonneneinstrahlung im Winter naturgemäß geringer ist, wird hier ein Vitamin D- Mangel der Mutter als vermittelnde Variable angenommen.
Auch konnten epidemiologische Studien zeigen, dass die Prävalenz von autistischen Störungen in unterschiedlichen Ländern bzw. Regionen nicht gleich verteilt ist [32], sondern sich von Israel nach Schweden vervierfacht [47]. Da die Intensität sowie Dauer der Sonneneinstrahlung vom Äquator zum Nordpol hin abnimmt, ist Vitamin D-Mangel in nördlichen Regionen viel stärker verbreitet [33].
Der Versuch eine direkte Verbindung zwischen Autismus und dem Vitamin D-Status während der Schwangerschaft zu finden, ist bisher jedoch noch nicht gelungen [34]. Laut einer Studie fanden sich in der 18. Schwangerschaftswoche keine Unterschiede im Vitamin D-Spiegel zwischen Müttern, deren Kinder später als autistisch diagnostiziert wurden und jenen die sich normal entwickelten [35].
Optimale Vitamin D-Spiegel in der Schwangerschaft als Prävention gegen Autismus?
Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass über eine durchgängige Vitamin-D-Gabe während der Schwangerschaft, während der Stillzeit sowie während der ersten 3 Lebensjahre des Kindes, die Wiederauftretenswahrscheinlichkeit von Autismus bei Müttern, die bereits ein Kind mit diagnostiziertem Autismus hatten, gesenkt werden kann [36].
Vitamin D Mangel bei Kindern mit autistischer Störung
Betrachtet man jedoch den Vitamin D-Spiegel des Kindes selbst, zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen niedrigem Vitamin D –Spiegel und Autismus [37 – 45], wobei die Schwere der Störung mit sinkendem Vitamin D-Spiegel zunimmt [42].
Vitamin D als Therapie bei Autismus?
Dies legt die Vermutung nahe, dass eine Vitmain D-Supplementierung in der Schwangerschaft das Risiko für die Entwicklung einer autistischen Störung nicht nur verringern könnte, sondern sich auch bei bereits bestehendem Autismus günstig auswirken könnte.
In einer Fallstudie aus dem 2015, erhielt ein 32 Monate altes Kind, das unter Autismus litt, über einen Zeitraum von 2 Monaten intramuskuläre Vitamin D-Injektionen über 150,000 IE sowie 400 IE als orale Gabe, wodurch sein Vitamin D-Spiegel von 12 ng/ml auf 80 ng/ml gesteigert werden konnte. Nach den zwei Monaten zeigten sich deutlich weniger Auffälligkeiten in einem breiten Spektrum von autismusspezifischen Symptomen. Auch nach 4 Monaten bestand die Besserung fort [46].
Von dieser Fallstudie ermutigt, erhielten in einer weiteren Studie 37 Kinder mit Autismus, welche alle eine Vitamin D-Spiegel unter 30 ng/ml aufwiesen, eine Vitamin-D Supplementierung. Die Symptome besserten sich auch hier deutlich, wobei die Effekte stärker bei jüngeren Kindern waren [44].
Saad et al. (2015) verabreichten 106 Kindern mit Autismus und einem Vitamin D-Spiegel < 30ng/ml 300 IE Vitamin D pro Kilogramm Körpergewicht, jedoch nicht mehr als 5000 IE für einen Zeitraum von 3 Monaten. Auch hier berichteten die Autoren von einer starken Verbesserung, die jedoch umso stärker war, je höher der Vitamin D-Spiegel zum Ende der Studie angestiegen war [47]. Auch in einer Doppelblindstudie, ein Studiendesign mit besonders hohen wissenschaftlichen Gütekriterien, konnten die Autoren das Ergebnis replizieren [48]. Die Wirksamkeit von Vitamin D bei Autismus ist damit durch eine ganze Reihe hochwertiger Studien belegt.
Empfehlungen Vitamin D und Autismus
Die Studienlage lässt noch keine genauen Schlüsse zu, welche Dosierungen oder Blutspiegel bei Autismus zu empfehlen sind. Die bisherigen Erkenntnisse lassen folgende Schlüsse zu:
Optimale Vitamin-D-Spiegel bei Autismus:
Ab 50 ng/ml deutliche Besserung der Symptome, bei 80 ng/ml sehr gute Ergebnisse.
Vitamin-D-Dosierung bei Autismus
Für Kinder: 300 IE pro kg Körpergewicht, aber nicht mehr als 5000 IE pro Tag.
Erwachsene: vermutlich im 10.000 IE pro Tag während des Winters.
Über welche Mechanismen könnte Vitamin D bei der Behandlung von Autismus wirksam werden?
Vitamin D, Autismus und oxidativer Stress
Wie eingangs erwähnt, wird vermutet , dass bei der Entstehung von Autismus oxidativer Stress eine Rolle spielt [4 – 11]. Es gibt Hinweise, dass Kinder mit Autismus niedrige Spiegel an Glutathion und Glutathionperoxidase aufweisen, einem Enzym, dass vor oxidativem Stress schützt. Gleichzeitig bestehen höhere Werte für oxidiertes Glutathion und F2-Isoprostane, welche stark auf oxidativen Stress und Lipidperoxidation hindeuten [49, 50]. Eine reduzierte antioxdative Kapazität und oxidativer Stress sind mit chronischen Entzündungsreaktionen, mitochondrialer Dysfunktion sowie Protein- und Zellschäden verbunden [51].
Gleichzeitig zeigt sich ein starker Zusammenhang zwischen dem Vitamin-D- und dem Glutathionspiegel [52]. Eine Behandlung mit Vitamin D war darüber hinaus verbunden mit der Abnahme von 8-Hydroxy-2-Desoxyguanosin, einem Marker für durch oxidativen Stress verursachte Zellschäden [53]. Des Weiteren regulierte sich die Aktivität der Poly(ADP-ribose)-Polymerase, einem Enzym was an der DNA-Reparatur beteiligt ist [54]und stabilisierte die Chromosomenstruktur [55].
Vitamin D und Entgiftung
Eine weiterer Risikofaktor für die Entwicklung eines Autismus scheint eine geringe Entgiftungsleistung und eine hohe Schwermetallbelastung zu sein [56]. So weisen einige Autismuspatienten eine höhere Quecksilber – und Bleibelastung sowie geringere Level an Gluthiontranseferase im Serum auf [56], ein Enzym was die Bindung von Giftstoffen an polare hydrophile Moleküle wie Glutathion katalysiert bzw. diese sogar selbst bindet, damit diese vom Körper ausgeschieden werden können [57].
Studien konnten zeigen, dass bei Zellen in einer Zellkultur, welche zuvor Giftstoffen ausgesetzt wurden, durch die Behandlung mit Vitamin D, das Ausmaß von reaktiven Sauerstoffspezies, welche sich schnell zu freien Radikalen entwickeln können sowie von Stickstoffmonoxid, der bei einem Überschuss zu nitrosativem Stress führen kann, abnahm. Es stieg hingegen die intrazelluläre Konzentration von γ-Glutamyltransferase, einem Enzym zur Herstellung von Glutathion sowie von Glutathion selbst [58, 59].
Vitamin D und Immunsystem bei Autismus
Des Weiteren gibt es Hinweise dafür, dass Kinder mit Autismus erhöhte Werte entzündungsfördernder Zytokine aufweisen, darunter Interleukin 6 (IL–6), Tumornekrosefaktor alpha (TNF–α) und Interferon gamma (IFN-γ) [3 – 7].
Diese sind wiederum mit einer hohen Aktivität der Mikrogliazellen verbunden. Sie sind Teil des Immunsystems des Gehirns und haben die Aufgabe das Gehirn von Bakterien, Keimen sowie abgestorbenen Zellen zu reinigen. Viele Studien zeigen Veränderungen der Aktivität, der Anzahl und der Verteilung solcher Mikrogliazellen im Gehirn von Autismusbetroffenen [60 – 62].
Auch in der postnatalen Hirnentwicklung spielen die Mikrogliazellen eine Rolle. Das Gehirn eines Neugeborenen ist mit einem Überschuss an Synapsen ausgestattet, Mikrogliazellen sorgen hier dafür, dass nicht benötigte Synapsen gezielt absterben und die übrigen Synapsen gestärkt werden [63, 64]. Eine reduzierte Eliminierung überflüssiger Synapsen wird ebenfalls mit neurologischen Entwicklungsstörungen wie Autismus in Verbindung gebracht [65, 66].
Es ist hinlänglich bekannt, dass Vitamin D einen Einfluss auf das Immunsystem hat [34]. Dies geschieht beispielsweise über die Senkung des entzündungsfördernden Zytokins IL-6 and TNF-α [67] sowie die Steigerung des anti-entzündlichen Zytokins Interleukin 10 (IL–10)[68].
Vitamin D, Autismus und Autoimmunität
Autismus wird teilweise auch als Autoimmunerkrankung betrachtet. So haben Kinder mit Autismus häufiger Autoimmunerkrankungen in ihrer Familiengeschichte [22, 24]. Darüber hinaus wurden bei Autismusbetroffenen erhöhte Autoantiköper im Gehirn gefunden. Autoantikörper richten sich im Unterschied zu Antikörpern, welche dem Schutz vor Fremdstoffen und Krankheitserregern dienen, gegen körpereigenes Gewebe. Allen voran wurden hier Antikörper gegen das basische Myelinprotein gefunden [19], das wiederum ein wichtiger Baustein der Myelinscheide ist. Die Myelinscheide umwickelt die Nervenfasern, auch Axone genannt und sorgen für eine schnelle Reizweiterleitung entlang der Axone. Auch eine hohe Anzahl von Antikörpern gegen das Myelin-assoziiertes Glykoprotein, von dem vermutet wird, dass es zur Aufrechterhaltung der Myelinscheide beträgt wurde gefunden [20], sowie Ganglioside, ein Lipid aus der Zellmembran [21]. Das Ausmaß der Autoimmunität zeigte sich hierbei mit der Schwere der Autismussymptome verknüpft [23].
Auch hier könnte Vitamin D eine Rolle spielen. So besteht zum Beispiel ein negativer Zusammenhang zwischen dem Vitamin D-Spiegel und der Aktivität der Antikörper gegen das Myelin-assoziierte Glykoprotein [20]. Des Weiteren fand man mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Vitamin D-Defizit bei Personen mit Antinukleären Antikörpern als bei Personen die diese sepzielle Form der Autoantikörper, bei dem sich die Immunantwort gegen bestimmte Bestandteile des Zellkerns richtet, nicht aufwiesen [69]. Auch beeinflusst Vitamin D die Expression von Genen, die an der Entstehung von Axonen sowie deren Myelinisierung beteiligt sind [70].
Vitamin D und neurotrophische Faktoren
Neurotrophische Faktoren sind wichtig für die Entwicklung, Instandhaltung, das Überleben sowie die Vernetzung von Neuronen [25]. Abweichende Werte verschiedener Neurotropischer Faktoren wie der Nervenwachstumsfaktor (NGF) and Wachstumsfaktor BDNF, wurden schon mit Autismus in Verbindung gebracht [26, 27].
Es zeigt sich auch hier, dass die Gabe von Vitamin D das Level dieser beiden Neurotrophischen Faktoren positiv beeinflussen kann [177, 179].
Fazit
Die Supplementierung von Vitamin D eine vielversprechende Option in der Prävention und Therapie von Autismus zu sein. Mittlerweile existieren mehrere hochwertige Studien mit sehr positiven Ergebnissen.
Auch in der Prävention dürfte Vitamin eine große Rolle zukommen. Dies unterstreich ein weiteres Mal die Bedeutung optimaler Vitamin-D-Spiegel während der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren.
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